Franz Fühmann in Brandenburg (BZ)
21. 09. 2025 bis 26. 09. 2025
„Wie tief hinab reicht das Erinnern? Ein warmes Grün, das ist in meinem Gedächtnis wohl das früheste Bild“
In diesem Literatur-Seminar soll es eine lese- und austauschfreudige Woche lang um den Autor Franz Fühmann (1922-1984) gehen. Fühmanns bewegtes Leben und abwechslungsreiches literarisches Werk wurde von Christa Wolf auf den Punkt charakterisiert: „Wandlung. Wahrheit. Wahrhaftigkeit. Ernst. Würde.“ Genau gemeint ist damit folgendes: „Wandlung“ meint Fühmanns Fähigkeit, sich im Schreiben veränderten historischen Konstellationen zu stellen. „Wahrheit“ bezeichnet sein Bestreben, dem Dasein zutiefst auf den Grund zu gehen. „Wahrhaftigkeit“ ist Ehrlichkeit im Umgang mit sich selbst und im Schreiben. „Ernst“ verweist jedes bloß humoristisch-satirische Inszenieren zugunsten der Wahrheit. „Würde“ fasst Fühmanns sowohl literarische wie auch gesellschaftspolitische Haltung zusammen: das Ethos des Schreibenden ist die Unverzichtbarkeit des Humanen, der Ethik.
Der 1922 in Rochlitz im Riesengebirge geborene Fühmann glänzt in der kleinen Form: sein Werk konzentriert sich auf Erzählungen, Novellen, Gedichte und Essays. Hinzu kommen gern gelesene Nachdichtungen mythologischer Stoffe und Kinderbücher. Fühmann begeistert sich für die Literatur der Romantik, wandert auf den Spuren Fontanes, möchte das Staunenswerte und Phantastische in die DDR-Literatur hineinholen.
All das muss auf dem Hintergrund seiner Herkunft gelesen werden: aufgewachsen in einer „Atmosphäre von Kleinbürgertum und Faschismus“ kommt er als Jugendlicher zuerst zum Reichsarbeitsdienst und dann zur Wehrmacht. Er kämpft an allen Fronten des Zweiten Weltkriegs, vor allem in der Sowjetunion und in Griechenland. 1945 gerät Fühmann in sowjetische Kriegsgefangenschaft und wird im Jahr darauf zur Antifa-Schule nahe Moskau geschickt. Als nunmehr überzeugter Marxist und Sozialist wird er Assistenzlehrer einer Antifa-Schule bei Riga. Weihnachten 1949 darf er schließlich nach Ost-Berlin zurückkehren, wo er sich für die Blockpartei NDPD engagiert. Nach und nach schwer in seinen politischen Überzeugungen erschüttert, legt Fühmann 1958 seine Ämter nieder und zieht nach Märkisch Buchholz. Dort lebt er bis zu seinem Tode 1984 als freischaffender Schriftsteller. Die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 stürzt Fühmann in eine schwere, alkohollastige Lebenskrise. Mit zahlreichen Briefen an DDR-Politiker versucht er Veränderungen in der Kulturpolitik herbeizuführen. 1976 gehört er zu den Erstunterzeichnern des Protestbriefs gegen die Biermann-Ausbürgerung. Seitdem wird er von der Stasi überwacht.
Im Seminar wollen wir – ausgehend von Fühmanns bewegter Biographie – Texte aus allen Schaffensphasen kennenlernen, um die oben genannten Aspekte „Wandlung. Wahrheit. Wahrhaftigkeit. Ernst. Würde.“ zu ergründen. Zentral sind die 1962 veröffentlichten Erzählungen „Das Judenauto“ sowie sein Bericht über einen Budapest-Aufenthalt „Zweiundzwanzig Tage oder die Hälfte des Lebens“ (1973).
Ein Literatur-Seminar, das …
viel Zeit bietet, das Werk eines der wichtigsten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts tiefgehend kennenzulernen
zum Austausch über eigene Lektüreerfahrungen einlädt
erkenntnisreiche Auseinandersetzungen ermöglicht
Es erwarten Sie …
anregende literarische Texte, die als Spiegel heutiger gesellschaftlicher Diskussionen gelesen werden können
eine Gruppe von maximal 18 Personen
vegetarisch-vegane Verpflegung an der sommerlichen Havel
Das Seminar richtet sich an alle, die neugierig auf Literatur sind. Besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse werden nicht erwartet. Einen Reader mit den genauen Literaturangaben und Materialien erhalten Sie mehrere Wochen vor Seminarbeginn.
Das Seminar wird als Bildungszeit anerkannt.
Leitung: Dr. Ina Düking
Seminarbeginn: Sonntag, 21.09.2025, 17.00 Uhr
Seminarende: Freitag, 26.09.2025, 14.00 Uhr
Teilnahmebeitrag
Standardbeitrag: 800 €
Ermäßigter Beitrag: 640 €
Einzelzimmerzuschlag pro Nacht 20 €
Informationen zur Preisgestaltung
Im Preis inbegriffen sind Vollpension inklusive Kaffee & Kuchen und Seminargebühren. Die erste Mahlzeit ist am Sonntag das Abendessen. Wir beenden das Seminar am Freitag nach dem Mittagessen.
Das Seminar findet im Rahmen der Reihe Literatur an Ort und Stelle statt.
